Eskalation der globalen Krankheitsdynamik durch die Klimakatastrophe

Kaskadenrisiken für Ökosysteme, Ernährungssicherheit und das Klimasystem (Ein Planetary-Health-Bericht)

Diese Arbeit ist in vier Segmente aufgeteilt. 

Teil 1 belegt, wie die Klimakatastrophe und die Erderwärmung Krankheiten und Pandemien bei Pflanzen und Tieren weltweit beschleunigt und verstärkt 

Teil 2 erörtert die daraus resultierenden Folgen für Natur, Umwelt, Menschen und Wirtschaft 

Teil 3 zeigt auf, wie diese Folgen die Entwicklung der Klimakatastrophe und Erderwärmung beeinflussen und beschleunigen. 

Teil 4: Handlungsempfehlungen 


1. Die Beschleunigung von Krankheiten und Pandemien in Pflanzen und Tieren durch klimatische Treiber (Fokus: Mechanismen)

Dieser Abschnitt analysiert die kausalen und oft nicht-linearen Mechanismen, durch die die globale Erwärmung und die damit verbundenen extremen Wetterereignisse die Virulenz, Verbreitung und Inzidenz von Pathogenen und Schädlingen in Flora und Fauna verstärken. Die Bedrohung wird am besten aus einer Planetary-Health-Perspektive verstanden, die die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als untrennbare Einheit betrachtet. Studien belegen die Dringlichkeit der Lage: 58 Prozent der von Krankheitserregern ausgelösten Leiden können durch den Klimawandel verschlimmert werden.

1.1. Grundlagen der Öko-Epidemiologie im Kontext des Klimawandels

Die Verstärkung der Krankheitsdynamik resultiert aus einem komplexen Zusammenspiel von Klimafaktoren. Neben der stetigen Erwärmung spielen insbesondere extreme Wetterphänomene wie Dürren, Überschwemmungen oder Hitzewellen eine Rolle als indirekte Treiber der Krankheitsverstärkung. Diese Extreme verursachen Stress in Wirtsorganismen und verändern Umweltbedingungen, was wiederum die Verbreitung von Erregern fördert. Die Forschung hat über 1000 einzelne Pfade identifiziert, auf denen jeweils ein Krankheitserreger durch den Klimawandel begünstigt wurde. Dabei stehen Vektoren wie Stechmücken oder Zecken im Vordergrund, die für die Übertragung von über 100 Krankheiten verantwortlich sind, deren Verbreitungsdynamik durch die Erwärmung verstärkt wird.

1.2. Temperatureinflüsse auf die Kinetik von Pathogenen und Vektoren

Erhöhte Temperaturen beeinflussen die Kinetik von Arthropoden-Vektoren und den in ihnen replizierenden Pathogenen auf mehreren Ebenen, was zu einer exponentiellen Steigerung des Infektionsdrucks führt.

Beschleunigte Vektor- und Pathogenentwicklung

Steigende Umgebungstemperaturen im Toleranzbereich von Vektoren beschleunigen deren physiologische Prozesse signifikant. Dazu gehört die Erhöhung der Stichfrequenz, die Beschleunigung der Blutverdauung, der Eibildung, der Juvenilentwicklung und des gesamten Generationszyklus. All diese Faktoren führen kumulativ zu höheren Populationsdichten in kürzerer Zeit und verlängern die saisonale Aktivitätsperiode der Vektoren.

Für Arboviren, die von Arthropoden übertragen werden, ist die Umgebungstemperatur ein kritischer Schwellenwert. Viele dieser Viren beginnen erst ab Temperaturen von 11 bis 15 °C in ihren Vektoren zu replizieren und sich auszubreiten (disseminieren). Innerhalb dieses Toleranzbereichs erfolgt die Virogenese – der Prozess der Virusentwicklung und Vermehrung im Vektor – umso schneller, je höher die Temperaturen sind. Dies steigert die Intensität und die Effizienz der Erregerübertragung in direktem Zusammenhang mit den höheren Stechfrequenzen der Mücken. Die Schlussfolgerung hieraus ist, dass die Krankheitsrisiken nicht linear mit der Erwärmung steigen, sondern plötzlich und exponentiell eskalieren, sobald kritische Temperaturschwellen für die effektive Replikation des Erregers im Vektor überschritten werden.

Verlängerte Aktivitätsperioden und geografische Ausbreitung

Milde Winter sind ein entscheidender klimatischer Faktor, der das Überleben und die Entwicklung wärmeliebender heimischer Arten sowie invasiver Schadorganismen begünstigt. Durch mildere Winter und eine längere Vegetationsperiode wird die Zeitspanne, in der Insekten sich entwickeln können, ausgedehnt und erwärmt.

Dies ist besonders ausgeprägt bei Schädlingen, deren Fortpflanzungszyklus mehrere Generationen pro Jahr umfasst. Untersuchungen in der Schweiz haben gezeigt, dass wärmere Entwicklungssaisons (April bis September) bei Arten wie dem Buchsbaumzünsler oder dem Bekreuzten Traubenwickler eine zusätzliche Generation pro Jahr ermöglichen können. Diese geringfügige Erhöhung der Durchschnittstemperatur über die kritische Schwelle führt zu einer geometrischen Steigerung der Gesamtpopulation und damit zu einem dramatisch erhöhten Schadenspotenzial. Das Phänomen der Neozoen, d.h. durch menschlichen Einfluss neu etablierter Arten, wird durch Globalisierung und Klimaerwärmung zusätzlich gefördert. Seit 2007 wird in Deutschland beispielsweise das Auftreten neuer Mückenarten beobachtet, die sich regional etabliert haben und Erreger übertragen können.

Temperaturgrenzwerte

Die Dynamik der Vektorpopulationen ist komplex und unterliegt auch oberen Temperaturgrenzwerten. Langanhaltende Exposition über der kritischen thermischen Grenze führt zu erhöhter Mortalität. Bei der Kirschessigfliege beispielsweise sinkt die Überlebensdauer oberhalb von 32 °C schnell auf 1 bis 3 Stunden, wobei 37 °C binnen 30 Minuten tödlich sein können. Dieses Detail unterstreicht, dass die Krankheitsdynamik nicht einfach einer linearen Korrelation folgt, sondern durch Extremhitzeereignisse komplexe und teils paradoxe lokale Schwankungen erfahren kann, während die milde Erwärmung und längere Entwicklungszeiten die grundlegende geografische Ausbreitung vorantreiben.

1.3. Klimastress als Determinante der Wirtsempfänglichkeit

Ein wesentlicher verstärkender Mechanismus liegt in der synergistischen Wirkung, bei der der Klimawandel gleichzeitig als Immunsuppressor für den Wirt und als Pathogen-Booster für den Erreger fungiert.

Synergie von Stress und Pathogenität

Die zunehmende Sommertrockenheit und Hitze schwächen Wirtspflanzen, insbesondere Bäume, und reduzieren ihre Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber Schädlingen und Pilzbefall. Diese geschwächte Abwehrlage ist oft der Haupttreiber für Massensterben. In Deutschland führten die Niederschlagsdefizite und die langanhaltende Wärmeperiode in den Jahren 2018 und 2019 zu Trockenschäden, die Pilzinfektionen und komplexe Erkrankungen in Kiefern-, Rotbuchen- und Ahornbeständen auslösten.

Auch bei Wild- und Nutztieren schwächen extreme Wetterphänomene wie Dürren oder Hitzewellen durch Stress oder Mangelernährung das Immunsystem, wodurch die Anfälligkeit für Infektionen steigt.

Verstärkung der Letalität in aquatischen Systemen

In aquatischen Umgebungen verschärft sich dieses Prinzip. Wärmere Gewässer verstärken die tödlichen Auswirkungen von Parasiten auf Fischereiwirte signifikant. Dies wurde insbesondere bei Salmoniformes beobachtet, deren Bestände bereits durch Überfischung und Habitatverlust belastet sind. Die erhöhte Parasitenletalität durch die Erwärmung stellt eine zusätzliche, kritische Belastung für die aquatischen Ökosysteme dar.

1.4. Fallstudien zur Pflanzenpathologie: Die Bedrohung landwirtschaftlicher und forstlicher Ökosysteme

Borkenkäfer-Kalamitäten (Forstwirtschaft)

Die Schäden durch rindenbrütende Borkenkäfer, insbesondere den Buchdrucker (Ips typographus) an Fichten, zeigen in Europa eine klar zunehmende Tendenz, die direkt mit steigenden Temperaturen und Dürreanomalien korreliert. Vor den 1990er Jahren waren Schäden selten. Im warm-trockenen Sommer 2018 erreichten die Schäden in Österreich jedoch einen Rekordwert von 5,2 Mio. Vorratsfestmetern (Vfm), wobei 90 Prozent auf den Buchdrucker zurückzuführen waren. Die Ursache ist die Kombination aus der hitzebedingten Schwächung der Bäume und der schnelleren Generationsfolge der Käfer durch höhere Temperaturen, was zu einem enormen Infektionsdruck führt.

Gefahr durch Pilzinfektionen (Landwirtschaft)

Pilzkrankheiten profitieren von den veränderten klimatischen Bedingungen. Die Pilzkrankheit Wheat Blast (Magnaporthe oryzae), die in feucht-warmen Regionen auftritt, breitet sich rascher aus. Hochrechnungen eines internationalen Forschungsteams legen nahe, dass die weitere Ausbreitung dieser Krankheit die globale Weizenproduktion bis 2050 um 13 Prozent reduzieren könnte. Regionen in Südamerika, Südafrika und Asien könnten bis zu 75 Prozent ihrer Weizenanbauflächen gefährdet sehen, was dramatische Folgen für die globale Ernährungssicherheit hat.

Invasive Bakterien (Xylella fastidiosa)

Das Gram-negative Bakterium Xylella fastidiosa befällt über 300 Wirtspflanzenarten, besiedelt deren Xylem und führt zum Absterben. Die Etablierung dieses Bakteriums in Südeuropa (Italien, Frankreich, Spanien, Portugal) in den letzten Jahren ist ein Beispiel für klimabegünstigte Invasionen. Die Unterart pauca wurde 2013 erstmals in Apulien an Olivenbäumen nachgewiesen. Die Ausbreitung wird durch die geänderten klimatischen Bedingungen in Europa begünstigt und bedroht wichtige landwirtschaftliche Kulturen (Oliven, Mandelbäume).

1.5. Fallstudien zur Tierpathologie: Bedrohungen aquatischer und terrestrischer Fauna

Amphibiensterben (Chytridiomykose)

Der Hautpilz Batrachochytrium dendrobatidis (Bd) löst die Chytridiomykose aus, eine Krankheit, die weltweit zu Massensterben und dem Aussterben von Amphibienarten führt. Unterstützt durch den Klimawandel und den internationalen Handel mit invasiven Arten hat die Seuche globale Hotspots der Artenvielfalt erreicht, darunter Madagaskar, wo sie über 290 endemische Amphibienarten bedroht. Auch in Europa, insbesondere in den Alpen und Pyrenäen, wurden Massensterben bei Amphibien beobachtet.

Krankheiten mariner Ökosysteme

Die anhaltende Erwärmung der Ozeane bedroht marine Lebensräume. Korallenriffe leiden unter anhaltend hohen Wassertemperaturen, was zur Korallenbleiche führt und ihre Anfälligkeit für Krankheiten erhöht. Durch die Erderwärmung werden zudem Tropenstürme häufiger und stärker, was Korallenriffe physisch beschädigt und die betroffenen Korallen anfälliger für Pathogene macht. Die Erwärmung des Ozeans, die seit den 1970er Jahren etwa 93 Prozent der anthropogenen Wärmeenergie absorbiert hat , begünstigt zudem die schnellere Ausbreitung von Erregern in Meeressäugern und Fischen. Dies, kombiniert mit dem Verlust wichtiger Nahrungsquellen (z.B. Krill-Rückgang in der Antarktis), destabilisiert die marinen Nahrungsnetze und gefährdet die Bestände von Robben und Pinguinen.


Teil 2: Kaskadierende Auswirkungen auf Natur, Mensch und Wirtschaft (One-Health-Perspektive)

Die beschleunigte Krankheitsdynamik führt zu weitreichenden, kaskadierenden Folgen, die von der Zerstörung kritischer Ökosystemdienstleistungen bis hin zu massiven sozioökonomischen Kosten reichen.

2.1. Ökologische und Umweltfolgen

Der Klimawandel und die damit verbundenen Epidemien sind zentrale Treiber des Artensterbens und der Destabilisierung von Ökosystemen. Der Verlust endemischer Arten, wie Amphibien in Madagaskar , reduziert die genetische Vielfalt und damit die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme gegen zukünftige Schocks.

Krankheitsbedingte Schäden zerstören kritische Ökosystemdienstleistungen. Das Waldsterben durch Borkenkäfer beeinträchtigt die Funktion der Wälder als Kohlenstoffsenken und als Lebensraum. Der Verlust von Arten, einschließlich wichtiger Bestäuberinsekten (deren Aktivität und Populationsdichten ebenfalls durch klimatische Extreme beeinflusst werden), gefährdet direkt die landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherheit. Die Verlagerung von Wildtieren in neue geografische Zonen mischt die Arten (Ökosystem-Neustrukturierung) und schafft neue Wirts-Pathogen-Schnittstellen, was die zukünftige Krankheitsdynamik unvorhersehbar macht.

2.2. Auswirkungen auf die globale Ernährungssicherheit

Die Klimakrise bedroht die Ernährungssicherheit auf globaler Ebene durch Ernteausfälle und den Verlust von Proteinquellen.

Bedrohung der Landwirtschaft

Verstärkte Dürrephasen führen zu signifikant geringeren Erträgen. Die potenzielle Reduktion der globalen Weizenproduktion durch Wheat Blast um 13 Prozent bis 2050 zeigt das Ausmaß der Bedrohung für Grundnahrungsmittel. Dies stellt besonders Regionen vor Herausforderungen, die stark von anfälligen Kulturen und Modellen der Hochertragslandwirtschaft abhängig sind. Die fortschreitende globale Verbreitung von Tier- und Pflanzenkrankheiten, wie der Kirschessigfliege oder der Afrikanischen Schweinepest, verdeutlicht zudem Schwachstellen in den globalen landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten, was das Management von Risiken erschwert.

Destabilisierung der Fischerei

Die Erwärmung und die Zunahme von Krankheiten im Meer, einschließlich der verstärkten parasitären Letalität, führen zu schwindenden Fischbeständen. Die Wanderung von Fischpopulationen in kühlere Regionen verändert traditionelle Fanggebiete. Falls der Ausstoß von Treibhausgasen unverändert bleibt, könnten die Fangerträge in Regionen wie Südostasien bis 2050 um 10 bis 30 Prozent unter dem historischen Mittel liegen. Dies bedroht die Proteinversorgung von Millionen Menschen weltweit und führt zu regionalen ökonomischen Krisen.

2.3. Folgen für die menschliche Gesundheit (Indirekte Effekte)

Die Zunahme von Tier- und Pflanzenkrankheiten hat erhebliche indirekte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Wohlfahrt.

Erhöhtes Zoonoserisiko

Der Verlust von Wildtier-Lebensräumen und die verstärkte Interaktion zwischen Mensch und Tier in gestörten Ökosystemen erhöhen das Risiko von Zoonosen (Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen überspringen). Die Notwendigkeit der Eindämmung unkontrollierten Wildtierhandels (Buschfleisch) wird betont, da dieser als wichtiger Treiber für die Übertragung von Krankheitserregern gilt.

Ausbreitung vektorübertragener Krankheiten

Die Etablierung neuer Vektoren wie Stechmücken (Neozoen) und die Verlängerung ihrer Aktivitätsperioden in gemäßigten Breiten erhöhen die Exposition des Menschen gegenüber vektorübertragenen Krankheiten. Krankheiten wie West-Nil-Fieber, Dengue-Fieber und FSME könnten in Gebieten, in denen sie bisher nur selten oder gar nicht vorkamen, Fuß fassen. Die vom Klimawandel befeuerte Krankheitsverstärkung trägt direkt zur Zunahme von Infektionskrankheiten beim Menschen bei.

2.4. Ökonomische und volkswirtschaftliche Kosten

Die ökonomischen Schäden durch klimabedingte Krankheiten sind substanziell und betreffen ganze Volkswirtschaften.

Direkte Schadenskosten

Schätzungen für Deutschland legen nahe, dass die volkswirtschaftlichen Schäden des Klimawandels bis 2050 rund 690 Mrd. Euro betragen könnten. Allein die Landwirtschaft trägt voraussichtlich Kosten von etwa 160 Mrd. Euro bis 2050, hauptsächlich bedingt durch zunehmende Ernteausfälle und steigende Importpreise.

In der Forstwirtschaft Europas sind die Schäden durch Borkenkäfer und hitzebedingtes Absterben massiv. Die Kosten bei Nichthandeln (wenn keine oder nur begrenzte Strategien umgesetzt werden) in Österreich werden auf jährlich 2 Mrd. Euro bis 2030 geschätzt.

Systemische Risiken

Die Notwendigkeit des Risikomanagements in der grünen Branche wird durch das gleichzeitige Auftreten mehrerer Tier- und Pflanzenkrankheiten (wie etwa am Schweinemarkt) unterstrichen. Diese Ereignisse offenbaren Schwachstellen in den Wertschöpfungsketten und führen zu steigenden Kosten in der Versicherungswirtschaft.

Die Kostenanalyse zeigt, dass die epidemische Resilienz von Ökosystemen ein direkter Wirtschaftsfaktor ist. Die Kosten des Nichthandelns, die durch die Zerstörung natürlicher Ressourcen entstehen, übersteigen oft die Kosten der notwendigen Anpassungs- und Präventionsmaßnahmen. Daher muss die Aufrechterhaltung der pflanzlichen und tierischen Gesundheit als integraler Bestandteil der nationalen Biosecurity betrachtet werden.


Teil 3: Rückkopplungseffekte auf den Verlauf der Klimakatastrophe

Die klimabedingte Eskalation von Krankheiten ist nicht nur eine Folge, sondern auch ein verstärkender Treiber der globalen Erwärmung, da sie die natürliche Pufferkapazität der Erde reduziert.

3.1. Verlust der Kohlenstoffsenken durch Krankheits- und Schädlingsbefall

Das massive, klimabedingte Absterben von Waldbeständen, wie die Borkenkäferkalamitäten, führt zum Verlust kritischer Kohlenstoffsenken. Absterbende Bäume setzen den über Jahrzehnte gespeicherten Kohlenstoff frei. Die Destabilisierung großer Waldflächen, wie der europäischen Wälder, führt dazu, dass ehemals stabile Senken zu Quellen atmosphärischer CO₂-Emissionen werden. Dies ist eine positive Rückkopplungsschleife, da die Krankheits- und Schädlingsdynamik direkt zur Minderung der natürlichen Pufferkapazität terrestrischer Ökosysteme und somit zur Beschleunigung der Erderwärmung beiträgt.

3.2. Interaktion mit dem CO₂-Düngungseffekt

Die Annahme, dass der atmosphärische CO₂-Anstieg durch einen "Düngeeffekt" das Pflanzenwachstum fördert , wird durch die negativen Auswirkungen der Erderwärmung mehr als kompensiert. Extreme klimatische Ereignisse, insbesondere Dürren, setzen die positive Biomasse-Reaktion von Grünland auf erhöhte CO₂-Konzentrationen stark herab.

Die beschleunigte Pflanzenmortalität durch klimabedingte Epidemien (z.B. Wheat Blast, forstliche Pilzerkrankungen) sorgt dafür, dass die prognostizierte natürliche Kohlenstoffaufnahme durch Pflanzen ausbleibt. Der Klimawandel beeinflusst den Verlauf von Pflanzenkrankheiten. Diese biophysikalische Interaktion schafft eine verstärkende Rückkopplungsschleife: Krankheiten, die durch den Klimawandel befeuert werden, untergraben die Fähigkeit der Ökosysteme, CO₂ zu speichern, was wiederum die globale Erwärmung beschleunigt.

3.3. Marine Rückkopplungsmechanismen

Der Ozean hat eine zentrale Rolle als Klimapuffer gespielt, indem er seit den 1970er Jahren etwa 93 Prozent der anthropogenen Wärmeenergie und 28 Prozent des emittierten CO₂ aufgenommen hat.

Diese Pufferfunktion ist jedoch selbst gefährdet. Die CO₂-Aufnahme führt zur Ozeanversauerung, und die Erwärmung zu Sauerstoffmangelzonen. Die durch Krankheiten und Temperaturstress geschwächten marinen Ökosysteme (Korallenriffe, Fischpopulationen) sind weniger widerstandsfähig gegen diese Stressoren. Ein Verlust der marinen Biodiversität und der Destabilisierung kritischer Ökosysteme wird die Fähigkeit des Ozeans, als effektive CO₂-Senke zu dienen, reduzieren und somit indirekt zur Beschleunigung der globalen Erwärmung beitragen.

4. Schlussfolgerung und Strategische Handlungsempfehlungen

Die klimabedingte Beschleunigung von Krankheiten in Flora und Fauna stellt eine kritische Bedrohung für die globale Stabilität dar, die sich durch tiefgreifende Kaskaden- und Rückkopplungseffekte auszeichnet. Die Klimakrise und die damit verbundenen epidemischen Eskalationen wirken synergistisch, indem sie gleichzeitig natürliche Senken eliminieren und die Gesundheit von Tier- und Pflanzenpopulationen untergraben.

4.1. Strategische Handlungsempfehlungen

Angesichts dieser systemischen Risiken ist eine dringende Verschiebung hin zu einer klimaresilienten Planetary-Health-Strategie notwendig.

1. Dringliche Emissionsminderung

Die aggressivste Begrenzung der Treibhausgasemissionen ist die primäre und effektivste Strategie. Nur so können die kritischen Temperaturschwellen und Extremwetterereignisse, die die Pathogen- und Vektor-Kinetik überproportional beschleunigen, kontrolliert werden.

2. Aufbau von Resilienz durch Monitoring und Biosecurity

Nachhaltig finanzierte, international koordinierte Monitoring-Programme für Vektoren (Mücken, Zecken) und Schaderreger sind essentiell, um klimabedingte Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Die Investition in diese präventiven Maßnahmen ist ökonomisch gerechtfertigt, da die Kosten des Nichthandelns (bis zu 690 Mrd. Euro in Deutschland bis 2050) die Anpassungskosten bei Weitem übersteigen.

3. Strukturelle Anpassung der Primärproduktion

Die Land- und Forstwirtschaft muss widerstandsfähiger gegen klimatische Schocks werden. Dies erfordert den Abschied von anfälliger Hochertragslandwirtschaft und die Einführung von Risikomanagementstrategien, die Fruchtfolgenwechsel, Bodenschutz und die Förderung von artenreichen, klimaangepassten Waldökosystemen umfassen. Diese Maßnahmen dienen nicht nur der Ernährungssicherheit, sondern auch dem Erhalt kritischer CO₂-Senken.

Nachbemerkung:

Diese Arbeit beruht auf dem Posting 'Die 40 wichtigsten Auswirkungen des Klimawandels' von Professor Eliot Jacobson (https://bsky.app/profile/climatecasino.net), für dessen unermüdliche Vorarbeit ich mich hiermit sehr herzlich bedanken möchte. 

https://climatecasino.net/2021/10/top-40-impacts-of-climate-change/

Quellenangaben

1. Wissen aktuell - Klima und Gesundheit, https://www.ages.at/download/sdl-eyJ0eXAiOiJKV1QiLCJhbGciOiJIUzI1NiJ9.eyJpYXQiOjE2MDk0NTkyMDAsImV4cCI6NDA3MDkwODgwMCwidXNlciI6MCwiZ3JvdXBzIjpbMCwtMV0sImZpbGUiOiJmaWxlYWRtaW4vQUdFU18yMDIyLzZfRk9SU0NIVU5HL1dpc3Nlbi1Ba3R1ZWxsL1x1MDBkNmZmZW50bGljaGVfR2VzdW5kaGVpdC8yMDIzL1dpc3NlbmFrdHVlbGxfS2xpbWFfdW5kX0dlc3VuZGhlaXQucGRmIiwicGFnZSI6MjM5MH0.FJAp7_pIrrhLmKBqNrc-9f_IRu3EY2SNTHj-qhncMH8/Wissenaktuell_Klima_und_Gesundheit.pdf 

2. Klimawandel: Welche Krankheiten sich durch die Erderwärmung stärker ausbreiten, https://www.kleinezeitung.at/lebensart/6175131/Klimawandel_Welche-Krankheiten-sich-durch-die-Erderwaermung 

3. (PDF) Auswirkungen von Klimaveränderungen auf Vektor- und Nagetier-assoziierte Infektionskrankheiten - ResearchGate, https://www.researchgate.net/publication/371247397_Auswirkungen_von_Klimaveranderungen_auf_Vektor-_und_Nagetier-assoziierte_Infektionskrankheiten 

4. Schädlinge und Krankheiten (Ökosysteme) – Klimawandel - Bildungsserver-Wiki, https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Sch%C3%A4dlinge_und_Krankheiten_(%C3%96kosysteme) 

5. Klimawandel: Die Schädlinge profitieren - Eidg. Forschungsanstalt WSL, https://www.wsl.ch/de/news/klimawandel-die-schaedlinge-profitieren/ 

6. Modellierung der Phänologie der Schadinsekten Asiatische Buschmücke und Kirschessigfliege in Abhängigkeit von Temperatur - Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, https://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/klima/INKLIM__A/land-und-forstwirtschaft/Endbericht_MOST_final.pdf 

7. Einfluss des Klimawandels auf pilzliche und komplexe Erkrankung von Waldbäumen - NW-FVA, https://www.nw-fva.de/fileadmin/nwfva/publikationen/pdf/langer_2024_einfluss_des_klimawandels_auf_pilzliche_und_komplexe.pdf 

8. Fischerei unter Druck: Erwärmung verstärkt tödliche Krankheitseffekte bei aquatischen Arten, https://pugnalom.io/erwaermung-verstaerkt-toedliche-krankheitseffekte-bei-fischerei-wirten/ 

9. Zunehmende Schäden durch Borkenkäfer - Klimawandel, https://ccca.ac.at/fileadmin/00_DokumenteHauptmenue/02_Klimawissen/FactSheets/31_zunehmende_schaeden_durch_borkenkaefer_20200806.pdf 

10. Klimawandel: Pilzkrankheit bedroht Weizenproduktion - Technische Universität München, https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/klimawandel-pilzkrankheit-bedroht-weizenproduktion 

11. Xylella fastidiosa - Update zur Situation in Deutschland und in der EU - Pflanzengesundheit (JKI), https://pflanzengesundheit.julius-kuehn.de/dokumente/upload/xylefa-situtation2018-06.pdf 

12. Latest Developments of Xylella fastidiosa in the EU territory - European Commission, https://food.ec.europa.eu/plants/plant-health-and-biosecurity/plant-health-rules/control-measures/xylella-fastidiosa/latest-developments-xylella-fastidiosa-eu-territory_en

13. Globale Pandemie versetzt Amphibien in Not - Wissenschaftler bitten Bergwanderer um Mithilfe - Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ, https://www.ufz.de/index.php?de=35376 

14. Amphibienseuche Chytridiomykose erreicht Madagaskar - Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ, https://www.ufz.de/index.php?de=37215 

15. Why are coral reefs threatened by climate change? - your cheat sheet | planet school, https://www.youtube.com/watch?v=VGZVQQnlrMU 

16. Wie mit dem Klimawandel Krankheiten zunehmen - Kurier, https://kurier.at/wissen/wie-mit-dem-klimawandel-krankheiten-zunehmen/219.617.329 

17. Klimagerechtigkeit auf Ozeanen und in Fischerei - Brot für die Welt, https://www.brot-fuer-die-welt.de/blog/klimagerechtigkeit-auf-ozeanen-und-in-fischerei/ 

18. Klimawandel: Die Folgen für Wildtiere - Pro Wildlife, https://www.prowildlife.de/aktuelles/hintergrund/die-folgen-des-klimawandels-fuer-wildtiere/ 

19. Klimawandel beschleunigt Artensterben - WWF Deutschland, https://www.wwf.de/themen-projekte/artensterben/klimawandel 

20. Wie beschleunigt der Klimawandel das Artensterben? - Aktuell Uni Bielefeld, https://aktuell.uni-bielefeld.de/2022/11/02/wie-beschleunigt-der-klimawandel-das-artensterben/ 

21. Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität - PRIMAKLIMA e.V., https://www.primaklima.org/auswirkungen-klimawandel-biodiversitaet 

22. Der Klimawandel mischt die Arten neu wie ein Kartenspiel - Friedrich-Schiller-Universität Jena, https://www.uni-jena.de/296725/der-klimawandel-mischt-die-arten-neu-wie-ein-kartenspiel 

23. Weizenverluste durch klimabedingte Dürren - Science Media Center, https://www.sciencemediacenter.de/angebote/weizenverluste-durch-klimabedingte-duerren-19102 

24. Management von Pandemien sowie neuen Tier- und Pflanzenkrankheiten in der Landwirtschaft und der Wertschöpfungskette - Rentenbank, https://www.rentenbank.de/export/sites/rentenbank/dokumente/Band-38-Management-von-Pandemien-sowie-neuen-Tier-und-Pflanzenkrankheiten.pdf.pdf 

25. Die Buschfleischkrise in Zentralafrika - WWF Deutschland, https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Afrika/Studie-Buschfleisch-Zentralafrika.pdf 

26. Der Handel mit Hunde- und Katzenfleisch: Ein globales Gesundheitsrisiko - Four Paws, https://media.4-paws.org/1/9/3/b/193b43c45a99544ff51894483b0311fb23c6e5e3/FOURPAWS_DCMT_Health_Report_DE_V3_Web.pdf 

27. Infektionen über Zecken und Mücken (Vektorübertragung) - Infektionsschutz.de, https://www.infektionsschutz.de/infektionen/uebertragungswege/infektionen-ueber-zecken-und-muecken/ 

28. Klimawandel kostet Landwirtschaft bis 2050 rund 160 Milliarden Euro - Geflügelnews, https://www.gefluegelnews.de/article/klimawandel-kostet-landwirtschaft-bis-2050-rund-160-milliarden-euro 

29. Sonderbericht 15/2024: Anpassung an den Klimawandel in der EU, https://www.eca.europa.eu/de/publications?ref=sr-2024-15 

30. Waldsterben durch die Klimakrise - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), https://www.bund.net/waelder/waldkrise/ 

31. Klimawandel gefährdet den europäischen Wald - Max-Planck-Gesellschaft, https://www.mpg.de/16500078/klimawandel-wald 

32. Fakt ist: Ein Düngeeffekt von CO2 aufs Pflanzenwachstum in der Landwirtschaft wird von negativen Auswirkungen der Erderwärmung mehr als wettgemacht | klimafakten.de, https://www.klimafakten.de/klimawissen/fakt-ist/fakt-ist-ein-duengeeffekt-von-co2-aufs-pflanzenwachstum-der-landwirtschaft 

33. Grünland unter dem Einfluss erhöhter CO2 Konzentration – Ergebnisse aus den langjähringen Gießener FACE-Experimenten, https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/ipz/dateien/aggf_2020_seibert.pdf 

34. Teufelskreis: Klimaerwärmung führt zu weiterem Kohlendioxidanstieg, https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/teufelskreis-klimaerwaermung-fuehrt-zu-weiterem-kohlend-509






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