Dürren im Kontext der Klimakatastrophe
Umfassende Analyse der Dürren im Kontext der Klimakatastrophe: Kaskadenrisiken, Kipppunkte und Resilienzstrategien
I. Wissenschaftlicher Rahmen: Dürre im Anthropozän und globale Trends
Die globale Erwärmung hat die hydrologischen Zyklen der Erde signifikant verändert und die Dürre zu einem der nachweislich gravierendsten Extremereignisse der Klimakrise gemacht. Seit mindestens 1970 besteht ein anhaltendes Ungleichgewicht im Energiehaushalt des Klimasystems, wobei überschüssige Energie von Ozeanen, Land und Eis aufgenommen wird. Diese Verschiebung verstärkt die Wahrscheinlichkeit, die Intensität und die geografische Ausdehnung extremer Wetterphänomene wie Hitzewellen, Extremniederschläge und Dürren in vielen Regionen weltweit.
1.1. Definition, Klassifizierung und Kausale Zusammenhänge
Zur präzisen Bewertung der Auswirkungen müssen verschiedene Dürre-Typologien unterschieden werden. Die Meteorologische Dürre beschreibt das einfache Ausbleiben von Niederschlägen über längere Zeit. Daraus entwickelt sich die Landwirtschaftliche Dürre, die durch trockene Böden das Pflanzenwachstum beeinträchtigt. Am kritischsten für die systemische Resilienz ist die Hydrologische Dürre, die eintritt, wenn der Grundwasserspiegel sinkt und die Wasserreservoirs erschöpft sind.
Der Klimawandel bewirkt eine strukturelle Neuordnung der globalen Niederschlagsmuster, die regional keineswegs einheitlich ist. Der Sechste Sachstandsbericht des IPCC prognostiziert, dass Niederschläge in den hohen Breitengraden, den Tropen und den Monsunregionen zunehmen werden (feuchter), während sie in den Subtropen strukturell abnehmen (trockener). Diese projizierte Zunahme der Trockenheit in subtropischen und teils gemäßigten Zonen ist ein vorhersehbarer Effekt der globalen Zirkulationsänderung. Die Implikation ist, dass Anpassungsstrategien in diesen Zonen, die unter anderem große Teile Südeuropas betreffen, nicht auf eine kurzfristige Erholung des Systems hoffen dürfen, sondern auf eine dauerhaft geringere Wasserverfügbarkeit ausgerichtet sein müssen.
1.2. Die primäre Gefahr von Compound Events
Die größte gesellschaftliche und wirtschaftliche Gefahr geht nicht von Dürre oder Hitze allein aus, sondern von deren gleichzeitiger und verstärkender Kombination, den sogenannten Compound Events. Mit der fortschreitenden Erwärmung des Klimas werden extreme Hitze- und Dürreereignisse immer häufiger und länger.
Forschende der Universität Zürich (UZH) haben analysiert, dass die Auswirkungen solcher gleichzeitigen Extreme keineswegs nur die Summe ihrer einzelnen Effekte auf die verschiedenen Bereiche darstellen. Vielmehr bilden sie ein zusammenhängendes Netz von Sektoren, die direkt und indirekt interagieren. Diese Interaktionen führen zu sogenannten kaskadenartigen Auswirkungen, die zusätzliche Schäden in mehreren Sektoren verursachen, etwa im Gesundheitswesen, der Lebensmittelproduktion, der Energieversorgung und den Ökosystemen. Dies macht systematische Risikobewertungen unerlässlich, um betroffene Regionen anpassungsfähiger zu machen.
II. Direkte Folgen: Hydrologie, Ökologie und Landdegradation
Die direkten Folgen von anhaltender Trockenheit manifestieren sich unmittelbar im Wasserhaushalt und in den terrestrischen Ökosystemen, oft mit kumulativen und schwerwiegenden Effekten.
2.1. Auswirkungen auf den Wasserhaushalt und das Grundwasser
Anhaltende Trockenheit führt zu direkten und sichtbaren Auswirkungen auf Flüsse, Grundwasser und Pflanzen. Ein besonders kritisches Phänomen ist das Auftreten von Niedrigwasser in großen Flusssystemen, selbst in gemäßigten Klimazonen. Der Rhein, Deutschlands größter Fluss, zeigte in den letzten Jahren wiederholt extreme Situationen mit streckenweisem Trockenfallen des Flussbetts. Auch andere Flüsse wie die Elbe und die Oder verzeichneten monatelang extremes Niedrigwasser, was nicht nur die Binnenschifffahrt zum Erliegen brachte, sondern auch alarmierende Schäden in Auenwäldern und Parklandschaften verursachte.
Die kritischste Erkenntnis betrifft die hydrologische Dürre als Phänomen der Akkumulation von Defiziten über mehrere Vegetationsperioden hinweg. Aufgrund der langen Dürreperioden, wie sie Deutschland in den Jahren 2018 und 2019 erlebte, konnten sich die Grundwasserreservoirs nicht regenerieren. So war der Boden bereits zu Beginn des Jahres 2019 in vielen Regionen zu trocken, da das hydrologische Defizit aus dem Vorjahr persistierte. Beispielsweise lagen in Sachsen im August 2019 an 88 Prozent der Messstellen die Grundwasserstände unter dem typischen monatlichen Niveau. Dies transformiert die Wasserverfügbarkeitsproblematik von einer kurzfristigen Wetteranomalie zu einem langfristigen, strukturellen Problem der unzureichenden Grundwasserneubildung, was sofortiges, umfassendes Wassermanagement erforderlich macht.
2.2. Landdegradation, Desertifikation und Ökosystemstress
Dürre und die resultierende Wasserknappheit üben massiven Stress auf Ökosysteme aus. Feuchtgebiete sind laut Bundesamt für Naturschutz die am stärksten bedrohten Ökosysteme der Erde und gehen dreimal schneller verloren als Wälder; mehr als ein Drittel der weltweiten Feuchtgebiete sind seit 1970 verschwunden. In Europa sind über 56 Prozent der natürlichen Feuchtgebiete seit dem 18. Jahrhundert verloren gegangen. Da intakte Feuchtgebiete wertvolle Lebensräume und Hotspots der Biodiversität darstellen, führt ihr Verlust zur irreversiblen Degradation ganzer Landschaften.
Parallel dazu treibt die Dürre in Verbindung mit nicht angepasster Landnutzung die Desertifikation voran. Klimatische Extremereignisse bedrohen weltweit große Landstriche, insbesondere im Mittelmeerraum, in Afrika und Zentralasien. In Europa sind bereits mindestens acht Prozent der Landmasse von Wüstenbildung betroffen. Besonders gefährdet sind Gebiete wie Südspanien und die Mittelmeerregion. Die Desertifikation stellt einen regionalen Kipppunkt dar: Übernutzung führt zum Verlust der Pflanzendecke und der Nährstoffe, was in Kombination mit Dürre einen Teufelskreis aus Degradation und letztendlich irreversibler Zerstörung des Bodens begründet.
In Wäldern führt die kombinierte Wirkung von Dürrestress und Schädlingsbefall (z. B. Borkenkäfer) zu massiven Schäden. Allein in den deutschen Mittelgebirgen sind ungeeignete, wasserintensive Baumarten wie die Fichte besonders anfällig. Dürre hat in Deutschland bereits 300.000 Hektar Wald geschädigt und die Waldbrandgefahr erhöht.
III. Indirekte Folgen und Kaskadenrisiken für Mensch und Wirtschaft
Die indirekten Auswirkungen von Dürren entfalten sich entlang komplexer sozioökonomischer Verflechtungen und führen zu Kaskadenrisiken, die weit über die unmittelbar betroffenen Sektoren hinausgehen.
3.1. Kaskadierende Systemschocks und Finanzielle Verluste
Die Analyse von Compound Events (Hitze und Dürre) zeigt, dass diese Klimaschocks potenziell ganze gesellschaftlich relevante Systeme, wie den Welthandel, destabilisieren können. Die gegen extreme Ereignisse ergriffenen Anpassungsmaßnahmen waren oft reaktiv und sektorspezifisch, was in mehreren Fällen zu Anzeichen von Fehlanpassung (Maladaptation) führte. Maßnahmen für einen Sektor, beispielsweise die Wasserentnahme für die Landwirtschaft, hatten negative Auswirkungen auf andere Sektoren wie die Energieversorgung oder die Ökosysteme. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines Integrierten Wassermanagements (IWM), um sektorenübergreifende Nutzungskonflikte zu vermeiden.
Die finanziellen Verluste durch solche Compound Events können sehr erheblich sein. In den untersuchten Fällen (Europa, Australien, Afrika) reichten sie von mehreren hundert Millionen bis zu Milliarden US-Dollar. Die Buschbrände in Australien 2019/2020 verursachten Verluste von rund 100 Milliarden US-Dollar, was über 5 Prozent des australischen BIP entsprach. Für Europa prognostizieren Studien bis 2080 Dürre-Schäden in Höhe von 12 bis 18 Milliarden Euro. Während dieser Schaden makroökonomisch gering erscheint (etwa 1 Promille des BIP), kann er in den unmittelbar betroffenen regionalen Volkswirtschaften auf bis zu 5 Prozent des regionalen BIP ansteigen.
3.2. Auswirkungen auf kritische Sektoren
3.2.1. Transport und Logistik
Niedrigwasser auf zentralen Wasserstraßen stellt ein erhebliches ökonomisches Risiko dar. Auf dem Rhein, der Lebensader der deutschen Binnenschifffahrt, werden 86 Prozent der von Januar bis Mai beförderten Güter transportiert. Niedrigwasser führt zu massiven Einschränkungen der Schiffbarkeit, was Unternehmen zwingt, auf teurere und weniger effiziente Transportwege (Schiene, Straße) auszuweichen. Studien deuten darauf hin, dass diese Klimaschocks Lieferketten dauerhaft verändern können.
3.2.2. Der Nexus Wasser und Energie
Die Energieerzeugung ist hochgradig von Wasser abhängig. Dürre beeinträchtigt erstens die Leistung von Wasserkraftwerken. Zweitens führt der Mangel an Kühlwasser zu Engpässen beim Betrieb thermischer Kraftwerke (Kohle, Gas, Kernkraft) und kann Leistungsminderung oder sogar Abschaltungen zur Folge haben.
Es entsteht ein hochgradig verschränkter, doppelt kaskadierender Risikopfad. Ein hydrologischer Schock durch Niedrigwasser am Rhein behindert nicht nur den Transport wichtiger Güter, sondern beeinträchtigt gleichzeitig die Brennstoffzufuhr (z. B. Kohle) zu den Kraftwerken und deren Kühlwasserversorgung. Dieses Zusammenwirken von Ausfällen bedroht die systemische Stabilität der kritischen Energieinfrastruktur.
3.3. Soziale und humanitäre Konsequenzen
Dürren sind eine Hauptursache für Hunger und humanitäre Krisen. Entwicklungsländer sind aufgrund ihrer hohen Abhängigkeit von der Landwirtschaft besonders anfällig für die sozioökonomischen Auswirkungen. Anhaltende Hitze und Dürre können humanitäre Krisen oder gewaltsame Konflikte hervorrufen, wobei der Übergang von Trockenheit zu Eskalation von komplexen sozioökonomischen Faktoren abhängt. Die Dürre fungiert als Bedrohungsmultiplikator, der bestehende geopolitische Instabilitäten verschärft.
Gleichzeitig kann Migration für wirtschaftlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen eine notwendige Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels sein.
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Betroffener Sektor |
Direkte Folge (Physischer Schock) |
Kaskadierende (Indirekte) Risiken |
Wirtschaftliche Dimension/Folge |
|---|---|---|---|
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Hydrologie/Wasserhaushalt |
Sinkende Grundwasserspiegel, Niedrigwasser, Austrocknung von Seen/Flüssen. |
Nutzungskonflikte (Trinkwasser vs. Landwirtschaft/Industrie); langfristige Wasserknappheit. |
Hohe Kosten für neue Wasserinfrastruktur; regionale Schadensspitzen (bis zu 5% des BIP). |
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Wirtschaft/Transport |
Einschränkung der Schiffbarkeit (z. B. Rhein). |
Erhöhung der Frachtkosten, Unterbrechung kritischer Lieferketten (z. B. Kohle, Öl, Chemikalien). |
Wettbewerbsnachteile; Inflationsdruck durch Logistikschocks. |
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Energieversorgung |
Reduzierte Wasserkraft, Mangeln an Kühlwasser für thermische Kraftwerke. |
Gefahr von Netzinstabilität, temporäre Abschaltung von Anlagen, erhöhte Abhängigkeit von fossilen Energieträgern (Gasausgleich). |
Erwartete Schäden in Europa 12–18 Mrd. Euro bis 2080. |
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Landwirtschaft/Gesellschaft |
Massive Ernteausfälle, Bodentrockenheit, Desertifikation. |
Ernährungsunsicherheit, Preisanstiege, humanitäre Krisen, Migration, Konfliktverstärkung. |
Verlust von Lebensgrundlagen, hohe Kosten für Nothilfemaßnahmen. |
IV. Dürren als Beschleuniger der Klimakatastrophe: Positive Rückkopplungen
Dürren sind nicht nur eine Folge, sondern auch ein kausaler Faktor, der die globale Erwärmung durch die Aktivierung positiver Rückkopplungsmechanismen beschleunigt. Diese Prozesse bedrohen die globalen Kohlenstoffsenken und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, kritische Kipppunkte zu überschreiten.
4.1. Dürre und Kritische Kippelemente
4.1.1. Der Amazonas-Kipppunkt
Eine der größten Risiken ist die Instabilität des Amazonas-Regenwaldes. Eine globale Erwärmung zwischen 2 und 3 Grad Celsius, kombiniert mit Rodungen und intensiver Landnutzung, könnte schon bis 2050 zur Austrocknung von 40 Prozent des Amazonas führen. Einige Klimamodelle prognostizieren einen vollständigen Zusammenbruch des Ökosystems in diesem Jahrhundert.
Der Amazonaswald ist ein massiver Kohlenstoffspeicher. Sein Zusammenbruch würde die Region vor gewaltige Probleme stellen und global eine massive Zunahme der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentrationen bewirken, wodurch die globale Erwärmung erheblich verstärkt würde. Dürre trägt direkt dazu bei, diesen Kipppunkt zu erreichen, da sie den Wald von einer CO₂-Senke in eine CO₂-Quelle verwandelt. Die Kontrolle über globale Treibhausgasbilanzen geht verloren, sobald diese kritischen, natürlichen Speicher versagen.
4.1.2. Kohlenstofffreisetzung aus Feuchtgebieten
Feuchtgebiete, insbesondere Moore, sind für das globale Klimasystem von enormer Bedeutung, da sie große Mengen an Kohlenstoff binden und speichern. Sie bedecken nur sechs bis neun Prozent der Erdoberfläche, enthalten aber circa 35 Prozent des globalen terrestrischen Kohlenstoffs. Werden diese Ökosysteme durch Dürre zerstört oder entwässert, werden große Mengen an Treibhausgasen (Kohlendioxid und Methan) freigesetzt. Dies macht den Schutz und die Wiederherstellung von Mooren und Feuchtgebieten zu einer zentralen Aufgabe der Klimakrise, da ihre Zerstörung zur Selbstverstärkung der Erwärmung beiträgt.
4.2. Biophysikalische Rückkopplungen
Die Dürre verstärkt sich lokal selbst durch biophysikalische Rückkopplungen. Eine verminderte Vegetationsbedeckung infolge der Dürre führt zu einer Verschlechterung des Bodens und einer verminderten Wasserrückhaltung. Dies reduziert unmittelbar die Evapotranspiration (Verdunstungskühlung) und erhöht die Bodentemperaturen, was wiederum den globalen Temperaturanstieg begünstigt.
Zusätzlich beeinflusst der Vegetationsverlust den Albedo-Effekt (Rückstrahlungsvermögen der Oberfläche). Obwohl die Beseitigung dunkler Wälder eine hellere Oberfläche (höhere Albedo) schaffen kann, die zur Abkühlung beitragen würde , übersteigt der Verlust der kühlenden Wirkung durch reduzierte Evapotranspiration und Wolkenbildung diesen Effekt oft regional. Netto führt die Dürre somit zu einem Teufelskreis: Weniger Vegetation bedeutet weniger Verdunstung, weniger Feuchtigkeit in der Atmosphäre und weniger Niederschlag, was den Trockenzustand der Region verfestigt.
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Mechanismus |
Beschreibung des Prozesses |
Folge für das globale Klima |
Kipppunkt-Relevanz |
Quellen |
|---|---|---|---|---|
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Amazonas-Kipppunkt |
Dürre und Entwaldung führen zur Savannisierung des Regenwaldes, was den Baumverlust beschleunigt. |
Massive Freisetzung von gespeichertem Kohlenstoff (CO₂) in die Atmosphäre. |
Hoch: Führt zur erheblichen Verstärkung der globalen Erwärmung. |
|
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Kohlenstoff aus Feuchtgebieten |
Austrocknung und Degradation von Mooren und Feuchtgebieten (35% des terrestrischen Kohlenstoffs). |
Umwandlung der Senken in Quellen durch Freisetzung großer Mengen an CO₂ und Methan. |
Mittel: Hoher Hebel, da der Kohlenstoffgehalt pro Fläche extrem hoch ist. |
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Evapotranspiration-Feedback |
Vegetationsverlust durch Dürre reduziert die Verdunstungskühlung und Niederschlagsbildung. |
Erhöhung der lokalen/regionalen Luft- und Bodentemperaturen, Verstärkung der Trockenheit. |
Biophysikalisch: Verstärkt den Dürre-Zyklus selbst. |
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V. Systemische Anpassungs- und Resilienzstrategien
Die Komplexität der kaskadierenden Dürrerisiken erfordert einen Wechsel von reaktivem Krisenmanagement hin zu proaktivem Systemdesign, das die Interdependenzen zwischen Sektoren berücksichtigt und Fehlanpassungen vermeidet.
5.1. Integriertes Wassermanagement (IWM)
Angesichts der langfristigen Abnahme von Bodenfeuchte und Wasserverfügbarkeit in Deutschland ist ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Wasserressourcen erforderlich. Die UBA-Studie „WADKlim“ betont die Notwendigkeit, Wassernutzung nachhaltiger zu gestalten und Nutzungskonflikte frühzeitig zu erkennen.
Die strategischen Säulen der Anpassung umfassen:
- Stärkung des Wasserrückhalts in der Fläche: Maßnahmen wie die Renaturierung von Flüssen, Bächen und Auen sowie die Förderung der Bodenfruchtbarkeit sind entscheidend, um die Grundwasserneubildung zu verbessern und den lokalen Wasserkreislauf zu stabilisieren.
- Verbesserte Governance: Die Einrichtung regionaler Wasserbeiräte wird als Lösungsstrategie vorgeschlagen, um Wasserkonflikte zwischen Landwirtschaft, Industrie und öffentlicher Versorgung durch systematischen Austausch zu vermeiden.
5.2. Technologische und landwirtschaftliche Innovationen
Die Entkopplung des Wasserverbrauchs von Primärressourcen ist eine zentrale Resilienzstrategie. Die Wiederverwendung von Wasser (Water Reuse), insbesondere im urbanen Raum und in der Landwirtschaft, wird als entscheidend bewertet.
Das Fraunhofer-Projekt HypoWave erforscht in diesem Kontext die Anwendung von Hydroponik – einer bodenlosen Anbauform – unter Verwendung von aufbereitetem kommunalem Abwasser. Hydroponische Systeme sind extrem wassereffizient, da sie in geschlossenen, wasserbasierten Kreisläufen arbeiten und Wasserverluste durch Verdunstung und Versickerung minimieren. Dies stellt einen systemischen Lösungsansatz dar, der die Agrarproduktion robuster gegenüber hydrologischer Dürre macht und gleichzeitig Nutzungskonflikte mit Trinkwasserressourcen vermeidet. Die großflächige Implementierung solcher Systeme (z. B. HypoWave+ Projekt) in wasserarmen Regionen zeigt das Potenzial, nachhaltige landwirtschaftliche Produktion unter extremen Klimabedingungen zu gewährleisten.
VI. Schlussfolgerung und strategische Handlungsempfehlungen
Die Analyse etabliert Dürre als den zentralen Nexus-Risikofaktor der Klimakrise, dessen Auswirkungen weit über die meteorologische Anomalie hinausreichen. Die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Dürre und Hitze (Compound Events) sind nicht nur Folgen, sondern treiben die Klimakatastrophe durch positive Rückkopplungsmechanismen aktiv voran, indem sie globale Kohlenstoffsenken (Amazonas, Moore) in Quellen umwandeln und biophysikalische Kreisläufe (Evapotranspiration) unterbrechen.
Die festgestellte multidekadische Natur der hydrologischen Dürre – das strukturelle Defizit in der Grundwasserneubildung – verlangt eine sofortige Verschiebung von reaktiven Maßnahmen hin zu einem proaktiven, integrierten Risikomanagement.
Strategische Handlungsprioritäten:
- Systemische Risikobewertung und Governance: Die Risikobewertung muss künftig die Verflechtung von Sektoren (Wasser-Energie-Transport) systematisch berücksichtigen, um kaskadierende Ausfälle zu verhindern und Fehlanpassungen, bei denen Maßnahmen in einem Sektor anderen schaden, zu vermeiden. Die Etablierung regionaler Wasserbeiräte ist dafür ein wichtiger Schritt.
- Stärkung der ökosystemaren Resilienz: Der Schutz und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Mooren ist nicht nur eine Maßnahme zur Anpassung an lokale Wasserknappheit, sondern aufgrund ihrer massiven Kohlenstoffspeicherkapazität eine zentrale Strategie zur globalen Klimamitigation.
- Technologische Entkopplung: Die massive Investition in Wasserwiederverwendung und wassereffiziente Landwirtschaftssysteme wie Hydroponik (HypoWave) ist erforderlich, um die Abhängigkeit der kritischen Agrarproduktion von volatilen Primärwasserressourcen zu reduzieren und so die Resilienz gegenüber dem strukturellen Wassermangel zu erhöhen.
- Globale Verantwortung für Kipppunkte: Die dringende globale Reduktion der Treibhausgasemissionen und die Kontrolle der Entwaldung im Amazonasgebiet bleiben unerlässlich, um das Risiko eines katastrophalen Kollapses biologischer Kippelemente und die damit verbundene massive Beschleunigung der globalen Erwärmung abzuwenden.
Nachbemerkung:
Diese Arbeit beruht auf dem Posting 'Die 40 wichtigsten Auswirkungen des Klimawandels' von Professor Eliot Jacobson (https://bsky.app/profile/climatecasino.net), für dessen unermüdliche Vorarbeit ich mich hiermit sehr herzlich bedanken möchte.
https://climatecasino.net/2021/10/top-40-impacts-of-climate-change/
Quellenangaben
1. Klimawandel 2021: Eine Zusammenfassung für alle, https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downloads/outreach/IPCC_AR6_WGI_SummaryForAll_German.pdf
2. Fakt ist: Der Klimawandel beeinflusst die Zahl und Stärke von Wetterextremen. Bei einer stetig steigenden Zahl kann die Forschung bereits Veränderungen nachweisen, etwa bei Hitzewellen, Extremniederschlägen und Dürren in manchen Regionen | klimafakten.de, https://www.klimafakten.de/klimawissen/fakt-ist/fakt-ist-der-klimawandel-beeinflusst-die-zahl-und-staerke-von-wetterextremen
3. Hitze, Dürre, Starkregen, Stürme: Forschende der BMBF-Fördermaßnahme „ClimXtreme“ zeigen, wie der Klimawandel Extremwetterereignisse beeinflusst hat und verändern wird - Forschung für Nachhaltigkeit (FONA), https://www.fona.de/de/climxtreme-erforscht-veraenderungen-von-extremwetter-durch-den-klimawandel
4. Dürre: Großer Durst in Zeiten der Klimakrise - WWF Deutschland, https://www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/duerre
5. Extreme Hitze und Dürre | UZH News | UZH, https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2022/Extremereignisse.html
6. Neuer hydrologischer Bericht für Nordrhein-Westfalen: Anhaltende Trockenheit zeigt Auswirkungen auf Flüsse, Grundwasser und Pflanzen - Umwelt.NRW, https://www.umwelt.nrw.de/neuer-hydrologischer-bericht-fuer-nordrhein-westfalen-anhaltende-trockenheit-zeigt-auswirkungen-auf
7. UBA-Studie: Klimawandel verschärft Wasserknappheit - Zentrum KlimaAnpassung, https://zentrum-klimaanpassung.de/news/uba-studie-klimawandel-verschaerft-wasserknappheit
8. Feuchtgebiete in Wäldern - Themenportal Wald, https://wald.fnr.de/wissen/themendossiers/klimawandeleffekte-im-wald/details/feuchtgebiete-in-waeldern
9. Desertifikation und Wüstenbildung - Welthungerhilfe, https://www.welthungerhilfe.de/unsere-arbeit/themen/ernaehrungssicherheit/laendliche-entwicklung-foerdern/desertifikation-und-wuestenbildung
10. Konferenz im September 2005: Desertifikationsforschung: Gegen Wüstenbildung und Vernichtung von Ressourcen in trockenen Regionen - idw - Informationsdienst Wissenschaft, https://idw-online.de/pages/en/news125907
11. Desertifikation - Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Desertifikation
12. Ökonomische Aspekte der Anpassung an den Klimawandel - Literaturauswertung zu Kosten und Nutzen von Anpassungsmaßnahmen an den - Umweltbundesamt, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/4185.pdf
13. Binnenschifffahrt: 86 % der von Januar bis Mai 2022 beförderten Güter auf dem Rhein transportiert - Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_N053_463.html
14. IfW-Studie: Klimaschocks wie Niedrigwasser verändern Lieferketten dauerhaft - Spiegel, https://www.spiegel.de/wirtschaft/ifw-studie-klimaschocks-wie-niedrigwasser-veraendern-lieferketten-dauerhaft-a-7a2540d2-8415-4ac2-8fee-dc9f95cdcf1b
15. (PDF) Auswirkungen der Nutzung Erneuerbarer Energien auf den Wasserhaushalt, https://www.researchgate.net/publication/392759658_Auswirkungen_der_Nutzung_Erneuerbarer_Energien_auf_den_Wasserhaushalt
16. Was ist Dürre? Ursachen, Auswirkungen und besonders betroffene Länder | Rescue, https://www.rescue.org/de/artikel/duerre-ursachen-auswirkung-wie-helfen
17. Hitze, Dürre, Krieg | Hitze, Dürre, Anpassung | bpb.de, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/hitze-duerre-anpassung-2023/522829/hitze-duerre-krieg/
18. Jahresgutachten 2023 - Klimawandel und Migration: was wir über den Zusammen hang wissen und welche Handlungsoptionen es gibt, https://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2023/05/SVR_Jahresgutachten_2023-1.pdf
19. Kipp-Punkte im Klimasystem - Umweltbundesamt, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3283.pdf
20. Amazonas-Regenwald auf der Kippe: Waldverlust verstärkt den Klimawandel, https://www.pik-potsdam.de/de/aktuelles/nachrichten/amazonas-regenwald-auf-der-kippe-waldverlust-verstaerkt-den-klimawandel
21. Feuchtgebiete auf dem Trockenen - klimareporter°, https://www.klimareporter.de/erdsystem/feuchtgebiete-auf-dem-trockenen
22. Moorschutz global: Eine zentrale Aufgabe in der Klimakrise - Heinrich-Böll-Stiftung, https://www.boell.de/de/2023/01/10/moorschutz-global-eine-zentrale-aufgabe-der-klimakrise
23. (PDF) Mit Vegetation und Böden die kleinen Wasserkreisläufe stärken und das Klima kühlen, https://www.researchgate.net/publication/359452475_Mit_Vegetation_und_Boden_die_kleinen_Wasserkreislaufe_starken_und_das_Klima_kuhlen
24. Bodenbedeckung und Klima - Hamburger Bildungsserver, https://bildungsserver.hamburg.de/themenschwerpunkte/klimawandel-und-klimafolgen/klimawandel/bodenbedeckung-klima-artikel-746294
25. Gutachten zur Notwendigkeit und zu den Herausforderungen der, https://www.klimabuendnis-brandenburg.de/app/download/12297987094/Gutachten_Wa%CC%88rmewende.pdf?t=1758193845
26. Anpassung an Trockenheit und Niedrigwasser - LfU Bayern, https://www.lfu.bayern.de/wasser/klimawandel_wasserhaushalt/anpassung/trockenheit_niedrigwasser/index.htm
27. Auswirkung des Klimawandels auf die Wasserverfügbarkeit – Anpassung an Trockenheit und Dürre in Deutschland (WADKlim) - Ecologic Institute, https://www.ecologic.eu/de/19768
28. Bodenlos nachhaltig: Neuartige landwirtschaftliche Pflanzenproduktion mit Wasserwiederverwendung - Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, https://www.igb.fraunhofer.de/de/presse-medien/presseinformationen/2020/bodenlos-nachhaltig-neuartige-landwirtschaftliche-pflanzenprodu.html
29. HypoWave – Wasserwiederverwendung in der Landwirtschaft - Fraunhofer IGB, https://www.igb.fraunhofer.de/de/referenzprojekte/hypowave.html
30. Nexus of water and food security: Hydroponic systems for water-efficient agriculture, https://www.igb.fraunhofer.de/en/research/water-technologies/water-management/nexus-of-water-and-food-security-hydroponic-systems-for-water-efficient-agriculture.html
31. Neues Leben trotz Dürre - Fraunhofer-Gesellschaft, https://www.fraunhofer.de/de/forschung/aktuelles-aus-der-forschung/biooekonomie/umwelt/abwasser-aufbereitung.html

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