Da blüht uns was! Algenblüten in der Klimakatastrophe




Die systemische Interaktion von schädlichen Algenblüten mit der globalen Klimakatastrophe: 

Feedback-Schleifen, Paläoklima und Sozioökonomische Folgen

1. Einführung und Definition des Systemzusammenhangs

Die aquatischen Ökosysteme der Erde, insbesondere die Ozeane, spielen eine unschätzbare Rolle bei der Modulation des globalen Klimas. Ohne die Speicherfunktion der Meere würde der Klimawandel deutlich schneller und intensiver voranschreiten. Diese essenzielle Pufferleistung, primär die Aufnahme von atmosphärischem Kohlendioxid (CO₂), basiert auf chemischen und biologischen Prozessen. Der Hauptakteur in diesem Prozess ist das marine Phytoplankton, mikroskopisch kleine Algen, die durch Photosynthese CO₂ in Biomasse umwandeln.

Dieser unbezahlbare Dienst der Klimamilderung durch die Ozeane hat jedoch einen hohen ökologischen Preis: die fortschreitende Ozeanversauerung. Gleichzeitig führen steigende Temperaturen, erhöhte CO₂-Konzentrationen, Sauerstoffmangel und Überdüngung zur massenhaften Vermehrung gefährlicher Algen, den sogenannten schädlichen Algenblüten (Harmful Algal Blooms, HABs). HABs umfassen sowohl toxische Blüten, die hochpotente Gifte freisetzen (z. B. Dinoflagellaten), als auch nicht-toxische Massenentwicklungen, wie die der Cyanobakterien (Blaualgen), die durch ihren Abbau enorme ökologische Schäden verursachen.

Die Analyse der Algenblüten erfordert eine Betrachtung der komplexen Kausalität und der Rückkopplungsschleifen. Das Problem der HABs ist nicht isoliert, sondern das Ergebnis einer Überlagerung anthropogener Stressoren, wie Eutrophierung (Überdüngung) und Überfischung, mit den globalen Klimastressoren Erwärmung und Versauerung. Diese Synergieeffekte verschärfen das Problem massiv und können die Fähigkeit der marinen Ökosysteme, lebenswichtige Dienstleistungen zu erbringen, nachhaltig beeinträchtigen.

2. Der Klimawandel als Primärtreiber von Algenblüten (Klima → Algen)

Die globalen Veränderungen der Wassertemperatur, des CO₂-Gehalts und der Hydrologie schaffen Umweltbedingungen, die bestimmte, oft schädliche, Algengruppen selektiv begünstigen und so Intensität, Toxizität und geographische Ausbreitung zukünftiger Blüten bestimmen.

2.1. Einfluss steigender Wassertemperaturen und veränderte Hydrologie

Steigende Wassertemperaturen gehören zu den dominanten Faktoren, die das Gedeihen gefährlicher Algen fördern. Die thermische Begünstigung ist besonders ausgeprägt bei Cyanobakterien: Die Art Nodularia spumigena, die in der Ostsee regelmäßig Blüten bildet, gedeiht beispielsweise hervorragend bei Wassertemperaturen ab 16 Grad Celsius und erhöhten CO₂-Konzentrationen.

Parallel dazu beeinflussen klimawandelbedingte Veränderungen der Hydrologie die aquatischen Systeme. Regionale Klimamodelle prognostizieren für Teile Mitteleuropas eine Veränderung wesentlicher Klimaparameter, einschließlich eines Trends hin zu nachlassenden mittleren Jahresniederschlagssummen und einer Verringerung der Grundwasserneubildung. Dies impliziert tendenziell geringere mittlere Abflüsse und damit langsamere Fließgeschwindigkeiten sowie längere Verweilzeiten in Oberflächengewässern. Solche längeren Verweilzeiten und erhöhte Wassertemperaturen sind in limnischen und küstennahen Systemen ein signifikanter Faktor, der die Kumulation von Nährstoffen und die Massenentwicklung von Algenblüten begünstigt.

2.2. Ozeanversauerung und selektiver CO₂-Vorteil

Der Ozean absorbiert weiterhin einen großen Teil des anthropogenen CO₂, was zu einem Abfall des pH-Wertes und einer Zunahme der Versauerung führt. Interessanterweise versauern kältere Ozeane schneller als wärmere. Die Versauerung wirkt als globaler Stressor auf viele marine Lebenswesen, insbesondere auf kalkbildende Organismen.

Gleichzeitig bietet die erhöhte Verfügbarkeit von gelöstem CO₂ in den Oberflächengewässern einen selektiven Vorteil für einige Organismen, die von dieser erhöhten CO₂-Aufnahme profitieren können. Dies ist besonders bei Cyanobakterien der Fall, welche bei erhöhten CO₂-Konzentrationen und Temperaturen optimal gedeihen. Die steigende CO₂-Konzentration und die Erwärmung, oft kombiniert mit regionalen Stressoren, verschaffen diesen potenziell toxischen Arten einen Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Organismen, was zu einer Verschiebung der marinen Artengemeinschaft führen kann.

Es ist jedoch zu beachten, dass regionale hydrographische Gegebenheiten die Versauerung lokal kompensieren können. In der Ostsee beispielsweise wirken über Flüsse eingetragene Verwitterungsprodukte aus Gesteinen puffernd auf den CO₂-Gehalt und tragen zu einem erhöhten pH-Wert bei, der die Versauerungseffekte abmildert.

2.3. Der Nexus aus Eutrophierung, Hypoxie und Klimawandel

Der primäre und regional dominante Treiber für die Zunahme von Algenblüten ist die Überdüngung (Eutrophierung) der Gewässer, meist infolge intensiver Landwirtschaft. Das Problem wird jedoch durch den Klimawandel verschärft und in eine sich selbst verstärkende Schleife überführt.

Die mikroskopisch kleinen Cyanobakterien besitzen die einzigartige Fähigkeit, molekularen Luftstickstoff (N) zu nutzen (Stickstofffixierung) und diesen in bioverfügbare Formen umzuwandeln. Dadurch bringen sie zusätzlich Stickstoff in bereits überdüngte Ökosysteme, was in der Ostsee einen erheblichen Beitrag zum Nährstoffeintrag leisten kann (bis zu 40%).

Wenn Cyanobakterien im Sommer massenhaft auftreten (Blütenbildung) und absterben, bildet sich eine riesige Menge organischer Biomasse. Der mikrobielle Abbau dieser Biomasse am Meeresboden verbraucht große Mengen an Sauerstoff. Dies führt zur Entstehung von Hypoxie (Sauerstoffmangel) und in extremen Fällen zu Anoxie (völliges Fehlen von Sauerstoff) in sogenannten Todeszonen. Bereits ein Drittel des Ostseebodens ist temporär von diesen lebensfeindlichen, anoxischen Zuständen betroffen.

Forschungsergebnisse, beispielsweise aus BIOACID-Experimenten, deuten darauf hin, dass die Kombination aus zunehmendem Sauerstoffmangel, Ozeanversauerung und Erwärmung die Produktion von Cyanobakterien-Biomasse noch steigern wird. Hieraus etabliert sich eine regionale positive Rückkopplungsschleife: Die durch den Abbau von Biomasse erzeugte Anoxie im Sediment führt zur Freisetzung von gelöstem Phosphat (interne Eutrophierung). Dieses Phosphat, das oft der limitierende Nährstoff ist, begünstigt die N-fixierenden Cyanobakterien noch weiter, was eine sich selbst verstärkende Verschlechterung des Gewässerzustands zur Folge hat.

3. Algenblüten als Beschleuniger und Modulator des Klimawandels (Algen → Klima)

Algenblüten fungieren nicht nur als Folge des Klimawandels, sondern stellen selbst aktive Rückkopplungsmechanismen dar, die die globale Erwärmung direkt über die Emission starker Treibhausgase und indirekt über die Beeinträchtigung der Kohlenstoffspeicherfunktion des Ozeans beeinflussen.

3.1. Veränderte Effizienz der Biologischen Kohlenstoffpumpe

Die biologische Kohlenstoffpumpe ist der Prozess, bei dem Kohlenstoff in Form von "Meeresschnee" (abgestorbene Algenbiomasse und Ausscheidungen) in die Meerestiefe transportiert wird. Ungefähr ein Prozent dieses eingebauten Kohlenstoffs wird für Tausende von Jahren im Meeresgrund vergraben, was eine entscheidende Klimaschutzfunktion darstellt.

Die Leistung dieser biologischen Pumpe wird durch zwei gegenläufige Prozesse bestimmt: die Sinkgeschwindigkeit der organischen Partikel (positiv für Speicherung) und deren Zersetzungsrate durch Bakterien in der Wassersäule (negativ für Speicherung). Forschende beobachteten, dass die Überreste kohlenstoff-effizienterer Algen – die in nährstoffreichem Wasser gewachsen waren – nach dem Absterben langsamer absanken als Algen ohne Nährstoffzugabe. Ein verlangsamtes Absinken verlängert die Zeit, in der Mikroorganismen die Biomasse in der oberen und mittleren Wassersäule zersetzen können.

Diese Beobachtung impliziert, dass klimabedingte Verschiebungen in der Zusammensetzung der Algengemeinschaften hin zu Arten, deren Biomasse schneller oder höher in der Wassersäule zersetzt wird, die langfristige CO₂-Bindung reduzieren und somit die Klimaschutzfunktion des Ozeans schwächen würden. Dies stellt eine positive Rückkopplungsschleife dar, da die globale Erwärmung über die Begünstigung spezifischer Algengruppen die Effizienz des wichtigsten marinen CO₂-Senkenmechanismus untergräbt.

3.2. Emission potenter Treibhausgase durch Cyanobakterien

Eine kritische, neu identifizierte Rückkopplung besteht in der direkten Emission des starken Treibhausgases Methan (CH₄) durch Blaualgen (Cyanobakterien). Cyanobakterien sind eine bisher nicht beachtete, aber global relevante Quelle für CH₄, die zur Methan-Übersättigung in Oberflächenwässern von Seen und Ozeanen beiträgt.

Da Cyanobakterien omnipräsente Bakterien sind und ihre Dominanz im Zuge der Überdüngung der Gewässer und der Klimaerwärmung zunimmt, wird befürchtet, dass in Zukunft auch mehr CH₄ erzeugt wird. Dies etabliert eine direkte positive Rückkopplungsschleife, in der anthropogene Einflüsse (Überdüngung) und Klimaerwärmung die biologische CH₄-Produktion in aquatischen Systemen steigern und damit die globale Erwärmung selbst beschleunigen. Für die Prognose des globalen Methan-Budgets ist es daher entscheidend, die Mechanismen der Methanproduktion durch diese Mikroorganismen und ihre Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen zu verstehen.

3.3. Verstärkung der Anoxie und Hypoxie (Todeszonen)

Die massiven Algenblüten, insbesondere die riesigen Teppiche von Cyanobakterien (die über 60.000 Quadratkilometer groß werden können), tragen durch ihren späteren Abbau entscheidend zur Entstehung von Sauerstoffmangel bei. Der erhöhte Sauerstoffverbrauch resultiert in Hypoxie oder Anoxie, die sogenannte Todeszonen schafft.

Anoxische Zustände in den Sedimenten fördern die mikrobielle Freisetzung von weiteren Gasen, einschließlich Methan und des hochgiftigen Schwefelwasserstoffs (H₂S). Die Ausbreitung dieser lebensfeindlichen Milieus in Gewässern wie der Ostsee, wo bereits ein Drittel des Bodens temporär anoxisch ist , verstärkt die positive Rückkopplung auf das Klimasystem, indem sie CH₄-Quellen im Sediment freischaltet, und verringert gleichzeitig die Lebensqualität und Artenvielfalt im Gewässer drastisch.


4. Paläoklimatische Analoga: Die Urzeit als Warnsignal

Die Untersuchung geologischer Perioden bietet einen wichtigen Kontext, um die Geschwindigkeit und das Ausmaß der aktuellen Veränderungen einzuordnen. Die Ozeanischen Anoxischen Ereignisse (OAEs) sind historische Zeiten in der Erdgeschichte, die sich durch einen massiv niedrigen Sauerstoffgehalt im Ozean (euxinische Ereignisse) auszeichnen. Diese Ereignisse lassen sich in bestimmten Sedimentgesteinen wissenschaftlich ermitteln.

OAEs der Kreidezeit stehen in der Forschung in Verbindung mit Perioden schneller globaler Erwärmung, wobei die Ablagerung von kohlenstoffreichen Sedimenten auf massive Algenblüten hindeutet, die zur nachfolgenden globalen Anoxie führten. Neue analytische Methoden, wie die Verwendung von Isotopen des Elements Molybdän (Mo) als Proxy, ermöglichen es, euxinische Ereignisse nun ozeanweit zu testen und ein besseres Verständnis der klimatischen Bedingungen während dieser Perioden zu gewinnen.

Wichtige Erkenntnisse des Projekts MOLY-OAES zeigten, dass die Sauerstoffversorgung der Ozeane während der OAEs sehr schnell schwankte, was darauf hindeutet, dass der globale Ozean gegen bestimmte Mengen von Umweltveränderungen eine gewisse Resilienz aufwies. Die Arbeit hat ein Werkzeug bereitgestellt, mit dem sich besser verstehen lässt, wie Ozeane durch den aktuellen Klimawandel beeinflusst werden.

Die aktuellen Phänomene der Ozeanerwärmung, Ozeanversauerung und die rapide Ausbreitung von Todeszonen weisen beunruhigende Parallelen zu den treibenden Kräften der OAEs auf. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Geschwindigkeit des Wandels: Die aktuelle Erwärmung und Deoxygenierung wird durch anthropogene Einflüsse in einem historisch beispiellosen Tempo vorangetrieben. In dieser Hinsicht dient die Ostsee, deren Boden bereits zu einem Drittel temporär anoxisch ist, als aktuelles, regional begrenztes Modell für einen OAE-ähnlichen Zustand. Das Zusammentreffen von regionaler Überlastung (Eutrophierung) und globaler Erwärmung hat hier bereits einen ökologischen Kipppunkt erreicht, der die Grenzen der Resilienz des Systems aufzeigt.

5. Folgen für Ökosysteme und Gesellschaft (Mensch und Natur)

Die Folgen der klima-induzierten Algenblüten sind weitreichend und betreffen die ökologische Stabilität, die menschliche Gesundheit und die sozioökonomische Struktur.

5.1. Ökologische Auswirkungen: Hypoxie und Nahrungsnetzstörung

Schädliche Algenblüten stellen eine der größten Bedrohungen für marine Ökosysteme dar und gefährden ihre Fähigkeit, lebenswichtige Ressourcen für Küstengemeinden bereitzustellen.

Die durch den Abbau massiver Algenblüten verursachte Anoxie führt zu einer erheblichen Mortalität von Aquakultur- und Wildfischbeständen. Darüber hinaus kann die Anoxie die Reproduktion entlang der Küsten, einschließlich wichtiger Rekrutierungsgebiete, negativ beeinflussen. Ökologische Studien zeigen, dass das Problem schädlicher Algenblüten durch Veränderungen in der Zusammensetzung der Fischgemeinschaft weiter verschärft wird. Es zeichnet sich ab, dass die Überfischung inzwischen in erheblichem Maße zur Algenblüte beiträgt, da sie die natürlichen Fressfeinde der Algen (Spitzenprädatoren) reduziert und damit die Reaktionen von Algen auf Nährstoffeinträge verstärkt. Das bedeutet, dass eine erfolgreiche Bewältigung der Algenblüten eine integrierte Politik erfordert, die Fischerei- und Klimapolitik miteinander verknüpft.

Ein weiterer Störeffekt tritt durch Lichtentzug auf: Wenn Cyanobakterien riesige Teppiche auf der Wasseroberfläche bilden, fehlt anderen Photosynthese treibenden Organismen unterhalb dieser Matten das nötige Licht für ihr Wachstum, was das marine Nahrungsnetz von unten her stört.

5.2. Direkte Gesundheitsrisiken und Toxizität

Toxische Algenblüten produzieren hochpotente Gifte, darunter Microcystin und Nodularin, die von Arten wie Nodularia spumigena freigesetzt werden. Diese Gifte können sich in der Nahrungskette anreichern und bei kleineren Meerestieren und Fischen zu Leberschäden führen.

Für den Menschen entstehen gesundheitliche Probleme durch das Berühren, Verschlucken oder Einatmen von Sprühtröpfchen, die Toxine enthalten. Die Symptome reichen von Haut- und Augenreizungen bis hin zu Übelkeit. Im Umgang mit Meeresfrüchten erfordert dies Vorsicht: Fisch, der lebend und gesund gefangen wurde, kann verzehrt werden, wenn er filetiert wird; Innereien (Hepatopankreas) sollten jedoch vermieden werden, da sie Gifte akkumulieren können. Die Toxizität der Gewässer vermindert die Nutzung von Seen und Flüssen als Trinkwasserressource und als Erholungsgewässer.

5.3. Sozioökonomische und Kulturelle Belastungen

Die sozioökonomischen Folgen schädlicher Algenblüten in europäischen Meeresgewässern werden auf mindestens 850 Millionen Euro pro Jahr geschätzt, wobei diese Zahl keine umfassende Erfassung aller Länder und Fälle darstellt.

Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen betreffen mehrere Sektoren:

Meeresfrüchte und Aquakultur: Direkte Verluste im Muschelsektor werden auf 15 bis 62 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Fischsterben durch Anoxie und das Hineingelangen von Algenteppichen in Fanggeräte beeinträchtigen die Fischerei erheblich.

Tourismus und Fremdenverkehr: Toxische Algenblüten und die allgemeine Verschlechterung der Wasserqualität haben nachteilige wirtschaftliche Folgen für den Fremdenverkehr und die Meeresfrüchteindustrie.

Über die direkten ökonomischen Verluste hinaus entstehen tiefgreifende kulturelle und existenzielle Belastungen, die schwer in Geldsummen auszudrücken sind. Im Norden Norwegens beispielsweise sind lokale und indigene Gemeinschaften, wie das Volk der Samen, von den Veränderungen im marinen Nahrungsnetz betroffen, die durch Temperaturanstieg und Versauerung ausgelöst werden. Wenn lokale Kabeljaubestände aus den Fjorden verschwinden, verlieren diese Gemeinschaften einen wichtigen Teil ihrer Existenzgrundlage und Kultur. Der Verlust kultureller Werte, Naturschönheit und des Gefühls für die "Größe" des Ozeans (kulturelle Ökosystem-Leistungen) wird oft unterschätzt, stellt aber einen gewichtigen Grund für ambitionierten Meeresschutz dar.


6. Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen

6.1. Synthese der Feedback-Mechanismen und Systemisches Risiko

Die Analyse zeigt, dass schädliche Algenblüten eine kritische Schnittstelle des globalen Wandels darstellen, an der regionale Belastungen und globale Klimastressoren konvergieren und sich gegenseitig verstärken.

Es existiert ein doppelter positiver Feedback-Loop:

Klima → Algen: Globale Erwärmung und CO₂-Anstieg verstärken die Dominanz von toxischen Cyanobakterien (insbesondere bei gleichzeitiger regionaler Eutrophierung), indem sie ihnen einen selektiven Wachstums- und Nährstoffvorteil verschaffen.

Algen → Klima: Die daraus resultierenden Massenblüten beschleunigen die Erwärmung, indem sie CH₄ in die Atmosphäre emittieren und die Effizienz der biologischen Kohlenstoffpumpe reduzieren. Der Abbau der Biomasse führt zu Hypoxie/Anoxie, die wiederum Nährstoffe freisetzt und die CH₄-Produktion im Sediment fördert.

Die synergetische Wirkung von Erwärmung, Versauerung, Hypoxie und Eutrophierung führt zu einer nicht-linearen Zunahme der Häufigkeit und Toxizität von HABs, was ein erhöhtes systemisches Risiko für die marinen Ökosystem-Dienstleistungen darstellt. Wird der aktuelle Trend der zunehmenden Dominanz von Cyanobakterien fortgesetzt, muss mit einer erhöhten CH₄-Emission aus aquatischen Systemen und einer weiteren globalen Ausbreitung anoxischer Zonen gerechnet werden.

6.2. Strategien zur Bewältigung der Gewässerstressoren

Angesichts der komplexen Kausalitäten können die Probleme der klima-induzierten Algenblüten nur durch integrierte Strategien auf globaler und regionaler Ebene bewältigt werden:

Priorität Klimaschutz: Die Bekämpfung der globalen Treiber, insbesondere der Ozeanversauerung und Erwärmung, hängt direkt von der Einhaltung des Pariser Klimaziels und der drastischen Reduktion der anthropogenen Treibhausgas-Emissionen ab.

Beherrschung der Eutrophierung: Die primäre Maßnahme zur regionalen Kontrolle von HABs bleibt die konsequente Reduktion des Nährstoffeintrags (Stickstoff und Phosphor) aus der Landwirtschaft und anderen externen Quellen, um die Massenentwicklung der Algen zu begrenzen.

Integriertes Ökosystem-Management: Erfolgreiche Strategien müssen sowohl Nährstoffeinträge (Landwirtschaft) als auch die Struktur der marinen Nahrungskette (Überfischung) adressieren. Da Überfischung die Algenblüten synergetisch beschleunigt, ist eine nachhaltige Fischereipolitik, welche die trophischen Ebenen schützt, ein unverzichtbarer Teil der Lösung.

6.3. Politische und Ethische Implikationen des Meeresschutzes im Anthropozän

Die weitreichenden und systemischen Folgen von Algenblüten und Ozeanversauerung zwingen die Gesellschaft, die Vorstellung von der Unendlichkeit und Unveränderlichkeit des Ozeans aufzugeben. Dies ist ein notwendiger Schritt zur Anerkennung der Verantwortung im sogenannten Anthropozän.

Ethisch herrscht in der Umweltethik Konsens darüber, dass die heute lebende Generation die Verantwortung trägt, das Voranschreiten der Ozeanversauerung und die damit verbundenen Folgen zu minimieren (Prinzip der Übelminimierung), wie es auch im Ziel für die Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDG 14) festgeschrieben ist. Die Argumentation für den Meeresschutz stützt sich dabei nicht nur auf die leicht messbaren, anthropozentrischen Werte (z. B. Nahrungsproduktion, Kohlenstoffspeicherung), sondern muss auch die kulturellen und immateriellen Werte (z. B. Naturschönheit, kulturelle Identität lokaler Gemeinschaften) berücksichtigen, deren Verlust durch die Zerstörung mariner Ökosysteme droht. Die Erhaltung und Pflege des Ozeans ist somit ein Imperativ, der sowohl dem langfristigen menschlichen Wohlergehen dient als auch dem moralischen Selbstwert der marinen Ökosysteme Rechnung trägt.


Nachbemerkung:

Diese Arbeit beruht auf dem Posting 'Die 40 wichtigsten Auswirkungen des Klimawandels' von Professor Eliot Jacobson (https://bsky.app/profile/climatecasino.net), für dessen unermüdliche Vorarbeit ich mich hiermit sehr herzlich bedanken möchte. 

https://climatecasino.net/2021/10/top-40-impacts-of-climate-change/



Quellenangaben

1. Meere unter Druck – Ozeanversauerung durch CO2 - Umweltbundesamt, https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/meere/nutzung-belastungen/meere-unter-druck-ozeanversauerung-durch-co2 

2. BIOACID: Biologische Auswirkungen von Ozeanversauerung, https://www.bioacid.de/?lang=en/front_content.php?idcat=479&idlang=22&p=0 

3. Algen als Klimaretter? Algen sind Ihnen sicher schon einmal im Alltag begegnet z.B. in Nahrungsmitteln wie dem Algensalat, am St - Chemiedidaktik Uni Wuppertal, https://chemiedidaktik.uni-wuppertal.de/fileadmin/Chemie/chemiedidaktik/files/material/CCS/AB_Modul_5_-_CO2_als_Rohstoff.pdf 

4. Einblick in die biologische Kohlenstoffpumpe im Meer - D-BAUG - ETH Zürich, https://baug.ethz.ch/news-und-veranstaltungen/news/2021/09/einblick-in-die-biologische-kohlenstoffpumpe-im-meer.html 

5. FÖRDERT DIE ÜBERFISCHUNG DAS AUFTRETEN VON ALGENBLÜTEN?, https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2011/474461/IPOL-PECH_NT(2011)474461_DE.pdf 

6. Ozean und Klimawandel - The Ocean Foundation, https://oceanfdn.org/de/Ozean-und-Klimawandel/ 

7. Strategische Umweltprüfung zur zweiten Aktualisierung des Maßnahmenprogramms nach § 82 WHG bzw. Art. 11 der Richtlinie 2000/6 - Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, https://lvwa.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/LVWA/LVwA/Dokumente/4_landwirtschaftumwelt/404/Seite_Wasser_bewegt/Umweltbericht_MNP_FGG_Elbe_2020_mit_Anlagen.pdf 

8. Methan aus der Algenblüte - klimareporter°, https://www.klimareporter.de/erdsystem/methan-aus-der-algenbluete 

9. eutrophierung, toxische cyanobakterien am beispiel des urbanen donau-altarmgewässers alte donau und des alpinen mondsees - ResearchGate, https://www.researchgate.net/publication/363818060_EUTROPHIERUNG_TOXISCHE_CYANOBAKTERIEN_AM_BEISPIEL_DES_URBANEN_DONAU-ALTARMGEWASSERS_ALTE_DONAU_UND_DES_ALPINEN_MONDSEES 

10. Cyanobakterienblüten in der Ostsee verstehen - GEPRIS - DFG, https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/316462445 

11. Ostsee: Blaualgen-Blüte hat ihren Ursprung im offenen Meer - Deutschlandfunk Nova, https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/ostsee-blaualgen-bluete-hat-ihren-ursprung-im-offenen-meer 

12. Detektion und Quantifizierung von Cyanobakterien in der Ostsee mittels Satellitenfernerkundung - RosDok, https://rosdok.uni-rostock.de/file/rosdok_disshab_0000001027/rosdok_derivate_0000005136/Dissertation_Riha_2013.pdf 

13. Die sechs wichtigsten Forschungsergebnisse zu Verfahren des künstlichen Auftriebes CDRmare INSIGHTS, https://cdrmare.de/wp-content/uploads/2025/08/insights_ARTUP_250801.pdf 

14. Cyanobakterien im Wasser und an Land als Quelle für Methan identifiziert | IGB, https://www.igb-berlin.de/news/cyanobakterien-im-wasser-und-land-quelle-fuer-methan 

15. Cyanobakterien können Treibhausgas Methan produzieren, https://www.sciencemediacenter.de/angebote/cyanobakterien-koennen-treibhausgas-methan-produzieren-20006 

16. Modernes Werkzeug zur Untersuchung alter Ozeane | Moly-OAEs ..., https://cordis.europa.eu/article/id/151907-modern-tool-to-study-ancient-oceans/de 

17. RED TIDE - Florida Department of Health, https://www.floridahealth.gov/environmental-health/aquatic-toxins/_documents/red-tide-rack-card-2014-german-853kb.pdf 

18. Gefährliche Cyanobakterien - Blaualgen-Alarm in deutschen Gewässern - Deutschlandfunk, https://www.deutschlandfunk.de/gefaehrliche-cyanobakterien-blaualgen-alarm-in-deutschen-100.html 

19. Beherrschung der Gewässereutrophierung - Umweltbundesamt, https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasserforschung-im-uba/cyanocenter/beherrschung-der-gewaessereutrophierung




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